Neue Idee von Lidl?

“Back to the Roots”

Mit großem Erstaunen las ich heute den Artikel auf t3n, mit dem Titel Lidl eröffnet Abhol-Supermarkt mit Onlineanbindung. Dort schreibt t3n über ein Prinzip, das älter ist als das Internet selbst und behauptet, dass es nun endlich Realität wird. 

Ich muss dazu sagen, dass genau dieses Prinzip schon seit mehreren Jahren bei uns in der Region praktiziert wird. Wir haben es bei einer großen Bestellung schonmal im April 2013 ausprobiert. Wir hatten damals am 1. Mai beim SWR3-Grillen mit Johann Lafer mitgemacht. Dazu benötigt man für 10 Personen viele und vor allem ausgefallene Lebensmittel. REWE bot diese alle an. Also bestellten wir online die Zutaten und meine Schwester holte diese auf dem Rückweg von der Arbeit am Markt ab.

Am Markt selbst gibt es spezielle Abholer-Parkplätze und ein Mitarbeiter des Marktes lud die Mehrwegkisten mit den Lebensmitteln ein. Stressfrei, schnell und bequem.

Die Geschichte zur „neuen“ Idee

Die Idee an sich ist aber schon älter, das Abholprinzip ist meines Erachtens gar ein Rückschritt oder der Versuch, die Zerstörungen der Discounter etwas zu mildern.

Meine Eltern betrieben über 25 Jahre einen Lebensmittel-Einzelhandel (Spar-Markt) in meinem Heimatort (ca. 3800 Einwohner). Der Laden hatte am Schluss etwa 200 qm Verkaufsfläche sowie eine Bedientheke für Backwaren, Wurst und Käse. Die Backwaren wurden jeden Morgen von einem örtlichen Bäcker frisch angeliefert, in den letzten Jahren wurde dies noch durch einige Backwaren, die direkt im Markt gebacken wurden ergänzt. Das wurde jedoch alles von Mitarbeitern und nicht von Automaten bewerkstelligt.

Doch noch heute, etwa 15 Jahre, nachdem mein Vater den Markt aufgegeben hat, höre ich von den älteren Menschen im Ort, dass sie – obwohl der Ort über mehrere Metzgereien, Bäckereien und 2 Lebensmittelmärkte verfügt – den Laden meines Vaters vermissen. Warum?

Mein Vater bot verschiedene Zusatzservices (kostenfrei!) an. Die Kundschaft konnte selbst zum Markt kommen und Ihre Einkäufe zusammenstellen, doch wer schlecht zu Fuß ist, hatte die Möglichkeit, dass mein Vater ihnen den Einkauf später mit dem Auto auslieferte. Eine weitere Möglichkeit bot er mit der Bestellung per Telefon. Die Mitarbeiterin nahm die Bestellung am Telefon auf und schrieb den Einkaufszettel des Kunden. Wir Kinder (meine Schwester und ich) haben öfter diese Einkäufe dann zusammengestellt. Waren wir nicht da, tat das eben mein Vater oder eine Mitarbeiterin.

Danach wurde es an der ganz normalen Kasse, wenn gerade nicht viel los war zusammengerechnet und mein Vater fuhr die Waren zum Kunden und kassierte vor Ort.

Schwächen der jetzigen Konzepte

Was fällt auf? Menschen die diesen Service in Anspruch nahmen, waren meist von der älteren Generation, also Kunden, die auch heute nicht unbedingt als Internetaffin gelten. Die damalige Kundschaft vermisst die Möglichkeit, selbst am sozialen Leben wie dem Einkauf teilzunehmen und vor allem die Lieferung der Waren durch meinen Vater.

Hier wird die Schwäche der neuen Konzepte klar: Sie reduzieren den Einkauf um den sozialen Teil, bei dem man auf andere Menschen trifft und lassen zum Schluss den problematischen Teil, nämlich den Transport der Waren wieder beim Kunden.

Die neuen Konzepte eignen sich nicht für die angesprochene Kundengruppe, sondern für die arbeitende Bevölkerung, die mobil ist und vor allem Internetaffin.

Glücklicherweise existieren noch vereinzelt Märkte und Inhaber, die weiterhin den Full-Service für die ältere Generation anbieten. Zum Beispiel in Bremen der Spar-Markt Harste: http://kauf-dich-satt.de/lieferservice.htmlUnd das sind meist auch die Geschäfte, die kein CMS brauchen, da die Verkäufer und Kassierer selbst das CMS sind. Sie kennen ihre Stammkunden und deren Geschichten. Das kann Lidl, da dies von den Mitarbeitern abhängig, ist, nicht flächendeckend gewährleisten. Jedenfalls jetzt noch nicht.

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