16 Jahre, 3 Kettenblätter und ein paar Erinnerungen

Es war 2009, als ich mein Rennrad von Fahrrad.de in Empfang nahm – ein Serious Furcia mit 3×9-Schaltung, Tiagra-FD-4503-Umwerfer und Ultegra-RD-6600-Schaltwerk.

Und eigentlich wollte ich jetzt nur neue Laufräder. Doch als ich die Preise sah, dachte ich: „Wenn schon, denn schon – die Kette rutscht eh schon durch, die Kassette ist abgenudelt, und der Umwerfer quietscht wie ein ungeölter Gartenzaun.“ Plötzlich war aus einem simplen Laufrad-Kauf ein kompletter Antriebs-Umbau geworden. Die Logik dahinter? Wenn ich schon in neue Laufräder investiere, sollte der Antrieb auch mithalten können. Und wenn ich schon dabei bin… warum nicht gleich auf 10 Gänge updaten?

Damals war die 3×9-Schaltung State of the Art. Heute? Naja, sagen wir mal: Die Technik hat mich überholt. Heute klangen die Schaltvorgänge wie ein Morsezeichen aus dem Getriebe – und die Lust auf mehr Präzision wuchs. Also stand fest: Wenn, dann richtig!

Doch statt direkt zum Neukauf zu greifen, entschied ich mich für einen kalkulierten Umbau: Ein Shimano FD-6700-Umwerfer, ein paar sorgfältig ausgewählte Komponenten aus dem Reich der Mitte und das Wissen, dass mein Shimano RD-6600-Schaltwerk eigentlich schon 10-Gang-tauglich ist. Warum also nicht die Chance nutzen, das Rad mit 2×10-Gang in die nächste Dekade zu schicken?

In diesem Artikel nehme ich euch mit auf die Reise vom Plan über die Tücken der Kompatibilität bis hin zu den ersten Testkilometern – inklusive aller Learnings, Kosten und der Frage: Lohnt sich der Aufwand oder hätte ich doch besser ein neues Rad gekauft?

China, YouTube und die Frage: Traue ich mich?

Es gibt diesen Moment, in dem man sich fragt: Kann ich wirklich Bauteile bestellen, deren Namen ich vor einem Monat noch nie gehört habe? Die Antwort kam von zwei YouTube-Kanälen, die ich jedem Rennrad-Umbauer empfehlen kann: Trace Velo und BikeVibes. Beide zeigen nicht nur dass chinesische Komponenten funktionieren, sondern wie gut sie es manchmal tun – und das zu Preisen, die selbst gebrauchte Shimano-Teile alt aussehen lassen.

Trace Velo testet mit akribischer Detailverliebtheit, während BikeVibes die Teile unter realen Bedingungen durch den Dreck zieht. Ihre Videos haben mich überzeugt: Ja, es gibt ernstzunehmende Alternativen zu Shimano/SRAM – wenn man weiß, worauf man achten muss. Die Kehrseite? Man taucht ein in eine Welt aus Aliexpress-Bewertungen und der ewigen Frage: „Ist das jetzt ein Schnäppchen oder Schrott?“

Doch genau das macht den Reiz aus. Plötzlich wird aus einem simplen Schaltungs-Upgrade ein kleines Abenteuer – mit der Chance, für wenig Geld viel Performance herauszuholen. Oder, wie es ein Kommentar unter einem BikeVibes-Video treffend zusammenfasste: „Either you save 200 bucks or learn a valuable lesson.“ Ich entschied mich für Option eins. Und ich bestellte.

Klingt einfach. War es nicht.

Die Theorie war klar: Ein 2×10-Antrieb sollte es sein. Doch dann begann das große Puzzle. Hier die finale Einkaufsliste – mit Begründungen und dem ein oder anderen „Warum zum Teufel habe ich das bestellt?“:

KomponenteModellWarum das?
UmwerferShimano Ultegra FD-6700Der einzige echte Shimano-Teil. Die Recherche nach passenden Sensah umwerfern war komplex und es gab dann keine mit Schelle
KurbelSenicx PR3 (30-46)
AliExpress*
30er Innenblatt für die Berge, 46er Außenblatt für Tempo – und das in Alu, nicht in Carbon-Schick. Ich hoffe das funktioniert…
KassetteZTTO 10-fach (11-28)
AliExpress*
Weil ich keine Lust auf teure Dura-Ace-Zähne hatte. Die ZTTO soll „fast so gut“ sein.
KetteZTTO SL 10-fach inkl. Kettenverbinder
AliExpress*
Die müsste ja theoretisch gut zum Ritzel passen.
SchalthebelSensah Phi
AliExpress*
Amazon
Die LTWOO R9 stand noch zur Auswahl. Die Phi mit Einhebelkonzept klingt interessanter.
ZubehörBremszüge, Endkappen, etc.Weil man immer irgendwas vergisst.

Oder hätte ich alles bei Shimano kaufen sollen? Nein. Nicht wegen der Performance – sondern wegen des Spaßfaktors.

Es ist ein bisschen wie Lego für Erwachsene: Man bestellt Teile, deren Namen man vor drei Wochen nicht kannte, und am Ende funktioniert es irgendwie. Und wenn nicht? Dann hat man wenigstens eine gute Story.

Bestellt, bezahlt, wartend: Der Countdown bis zum Chaos

Die Bestellbestätigungen sind da, die Tracking-Nummern gespeichert – und die Vorfreude mischt sich mit einer gesunden Portion „Was habe ich mir nur gedacht?“

Während die Pakete (hoffentlich) ihren Weg aus China zu mir finden, nutze ich die Wartezeit für:

  • Die Werkstatt-Vorbereitung: Werkzeug checken (Kettennieter: ✔️, Kabel cutter: ✔️, Geduld: ).
  • Die mentalen Durchspiele: „Wie schwer kann Kettenlinie einstellen schon sein?“ (Spoiler: Ich werde es herausfinden.)
  • Die erste grobe Zeitplanung:
    • Tag 1: Umwerfer und Kurbel montieren (Optimismus: 2 Stunden. Realität: wahrscheinlich 5).
    • Tag 2: Kassette, Kette, Schalthebel – und die erste „Warum schaltet das nicht?“-Krise.
    • Tag 3: Feinjustierung, Bremsen einstellen, und hoffentlich eine Probefahrt ohne Kettensprung.

Warum ich trotzdem schon jetzt begeistert bin? Weil selbst der Prozess – das Warten, das Tüfteln, das Fluchen über zu kurze Kabel – Teil des Spaßes ist. Und weil ich weiß: Am Ende wird es (irgendwie) funktionieren. Oder zumindest eine gute Geschichte abgeben.

Ihr könnt gespannt sein auf:

Live-Updates vom Umbau (inkl. Fotos von den unvermeidlichen schwarzen Ölhänden).

Ehrliche Eindrücke zu den China-Komponenten – nach dem Auspacken und den ersten 100 Kilometern.

Eine Liste mit den Dingen, die ich beim nächsten(?) Umbau nicht wieder vergessen werde.

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