Livemusik 2020? Doch nicht!

Wo soll ich anfangen? Das Jahr 2020 war wohl für mich, als semiprofessionellen Musiker etwas Besonderes.

Gute Aussichten

Während ich im Januar aus – wie ich glaubte – sicherer Entfernung die Entwicklungen in China nur so am Rande mitbekam und auch der Ausbruch bei Webasto in Bayern keine Gefahr ausstrahlte, plante ich meine Auftritte für 2020. Auch als ich am 19. und 20. Februar meine ersten beiden Auftritte vor voll gefüllten Hallen spielte deutete noch nichts auf ein musikarmes Jahr hin. Am 28.02 erhielt ich noch Anfragen für diverse Veranstaltungen und mein Terminplan zeigte mir ein Jahr voller Musik und somit reich an Spaß….

Kalender mit Terminen 2020. Stand Februar

Die blau markierten Daten waren fest gebucht, die roten warteten noch auf Bestätigung. Auf die hellgelben Markierungen komme ich später zurück.

Doch dann – es war Montag, der 9. März. Nachricht vom Bandlieder per WhatsApp Sprachnachricht: „Moin, ich hab den Termin am Samstag gecancelt, ich habe ne Grippe und kann nicht singen. Keine Sorge, ist kein Corona!“ Der erste Termin sollte fallen – und wie sich eine Woche später herausstellte: Es war nun doch Corona!

Ich könnte jetzt bestimmt den Artikel mit der Odyssee von meinem Mitmusiker füllen. Doch darum soll es hier nicht gehen. Er hat es zum Glück überstanden, ihm geht es wieder gut.

Der März wurde hart…

für meinen Kalender. Die erste Rechtsverordnung infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus trat in Kraft. Am 17.03 kam die erste Absage. Bis zum 30. März waren alle Auftritte für den Mai 2020 abgesagt.

Und so zog es sich das ganze Jahr hindurch. Mitte Mai wurden die Auftritte für Juni abgesagt. Da nahezu alle Veranstaltungen mit über 100 Personen geplant waren, würde das so schnell nichts mehr werden.

Die letzte Hoffnung im August. Die Regeln waren gelockert, die Veranstaltung überschaubar (<100), doch ausgerechnet in Mannheim – wo ich am 7.8. noch gebucht war – erließ das Ordnungsamt ein Verbot wegen zu hoher Infektionszahlen. 5 Tage vor dem Termin.

In der Zwischenzeit

Ich komme auf die hellgrünen Termine zurück: Im April ergab sich spontan die Anfrage, eine Session „Live aus der Wollfabrik“ zu spielen. Ein Livekonzert auf YouTube am 1.5.

Endlich wieder Livemusik. Unter unglaublich hohen Hygiene-Bedingungen wurde das Konzert vom Veranstalter mit Unterstützung von Session Pro produziert. Im Raum waren außer uns vier Musikern auf der Bühne nur noch drei Kameraleute. Die Tonleute und der Videoschnitt waren auf einem anderen Stockwerk in separaten Räumen untergebracht. Zutritt gab es nur nach vorheriger Anmeldung bei der Stadt Schwetzingen zusätzlich musste bei jedem betreten des Raumes alles desinfiziert werden – jedes Mal.

Gage: 0 – aber Spaß hat es dennoch gemacht. Hier findest du das Ergebnis:

https://www.youtube.com/watch?v=8WVTA7DjcN8

Danach wurde es wieder still. Ich produzierte 2 weitere Videos, strikt getrennt von den Mitmusikern und musste mich zum ersten Mal mit Bild, Ton und Spielen gleichzeitig auseinandersetzen. Eine Grenzerfahrung. Allerdings habe ich auch hier wieder einiges gelernt. Zum Setup und wie man vorgeht, schreibe ich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt einen Beitrag.

Die beiden Videos findest du hier (YT):

Als Zusammenfassung kann man das Livemusik-Jahr einfach in die Tonne treten. Von 20 Terminen im Februar wurden in der Tat nur 2 realisiert, dazu kommt ein Live-Broadcast-Konzert und 3 Videos.

Ich habe den großen Vorteil, dass ich nicht meinen Lebensunterhalt mit Musik bestreiten muss, sondern über ein zusätzliches Einkommen verfüge, das von Lockdown und Kontaktbeschränkungen bisher nicht betroffen ist.

Es bleibt für mich aber die Frage, ob der Staat die hauptberufliche Kunst- und Kulturszene mit bedacht hat. Die Lufthansa wurde vermutlich schneller mit Hilfe versorgt, als Künstler. Ich hoffe für uns alle sehr, dass wir nach dieser Zeit noch eine Szene im Land der Dichter und Denker vorfinden. Ohne Kunst und Kultur ist alles still.

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