Das ist Teil 4 zu How-To: Lockdown Musikvideos. Hier geht es zu
- Teil 1 – der große Überblick und Voraussetzungen
- Teil 2 – ins rechte Licht. Optik oder Sound?
- Teil 3 – Kamerapositionen
…oder – Wie spielt man zusammen ohne zusammen zu sein?
Es ist eine große Herausforderung zusammenzuspielen, obwohl man nur digital kommunizieren kann. Mit etwas Erfahrung in der Produktion von Musik, die nicht live eingespielt wird, sollte aber auch dies keine unüberwindbare Hürde darstellen. Dazu benötigt man eben einige Dinge.
Als erstes benötigt man, sofern man nicht mit einem leeren Audioprojekt und vor allem ohne Click starten möchte mindestens einen Clicktrack. Das setzt die exakte Kenntnis des Songs voraus und erfordert, dass man am Schlagzeug einen Song ohne jegliche weitere Orientierung einspielen kann. Davon gehen wir nun mal nicht aus :-)
Trotzdem gibt es mehrere weitere Möglichkeiten:
- einen Clicktrack (in ausreichender Länge!) und die Noten/Sheets (oder wie oben beschrieben einen exakten Ablauf, den man auswendig spielen kann)
- einen Midi-Guide, z.B. extrahierte Noten aller Instrumente als Midi + Clicktrack
- einen Audio-Guide oder „Rotzspur“, d.h. irgendein Mitmusiker hat den Track mit Click schnell als Orientierung eingespielt + Clicktrack
- bei Coverversionen kann man natürlich auch das Original zum mitspielen nutzen. Wenn man Glück hat, dann hat auch das Original ein Tempo durchgehend – ansonsten wird es etwas frickelig beim Einfügen eines Clicktracks.
Audio-Sequenzer
Ohne ein Mehrspuraufnahmeprogramm ist hier dann Endstation. Glücklicherweise gibt es hier auch einige interessante kostenlose und preiswerte Angebote am Markt. Es muss nicht immer Cubase oder ProTools sein ;-) Die sind nicht schlecht, im Gegenteil, aber für den Hausgebrauch – also das, was wir hier vorhaben – einfach zu mächtig und dadurch auch zu teuer dafür. Ich nutze, wie ich im einleitenden Artikel schon gesagt hatte REAPER. Probier das einfach mal aus, 60 Tage könnten auch für eine Produktion reichen! Eine Open Source Alternative ist Ardour. Ich gehe jetzt im weiteren Verlauf auf REAPER ein.
Wie sieht das dann aus?
Ich mache das so, dass ich mir den Guide oder Piloten auf eine Spur in der DAW lege und – sofern kein Klick auf dem Guide vorhanden ist eben den Klick dazu einfüge. Jede DAW die ich kenne, hat ein integriertes Metronom, die einen ein besseres, die anderen ein schlechteres, für den Hausgebrauch sollte das jedoch reichen.
Auf der Übersicht kann man schon sehen, dass es hier viele Möglichkeiten gibt. Das Metronom ist in diesem Fall aus, da der Guide inkl. des Klicks geladen wurde. Man könnte ihn aber dennoch einschalten, da das Tempo in der DAW hinterlegt ist. Bei nachträglichen Tempoanpassungen innerhalb der DAW muss man allerdings ein bisschen vorsichtig sein und vor allem wissen, wie das Verhalten eingestellt ist. Bei Reaper kann man z.B. umstellen, ob nur das Tempo geändert werden soll oder ob ausgehend vom eingestellten Tempo die Audiospuren zusätzlich mit im Tempo verändert werden sollen!
Verschiedene Tempi im Song
Vorneweg: Wenn man keine Erfahrung und Übung mit der DAW hat, ist es vermutlich einfacher den Klicktrack im Guide mit aufzuzeichnen oder einen Audio-Klick zu benutzen und von den Tempi in der Recording-Software die Finger zu lassen.
Es ist möglich! Das kann aber unter umständen ganz schön ausarten, wenn der Guide im Tempo schwankt oder häufige Tempo- und/oder Taktwechsel im Lied enthalten sind.
Besonders im vorliegenden Fall wenn viele Musiker mit unterschiedlichen Ausrüstungen am Start sind, ist es die einfachere Lösung, den Klick im Guide mit ins Audio zu integrieren. D.h. es gibt den einmaligen initialen Aufwand, einen Guide inkl. Klick zu erstellen. Ein Sänger oder Bassist z.B. kann danach aber einfach ein Abspielgerät wie z.B. das Smartphone (mit Kopfhörer!!!) nutzen und nur seinen Gesang bzw. den Bass aufzeichnen. Dafür ist noch nicht einmal eine DAW von Nöten. Es können dann sogar Video und Ton mit dem gleichen Gerät aufgenommen werden, wenn der Raum gut klingt, das Mikro der Kamera anständige Tonaufnahmen macht und noch ein paar andere Kleinigkeiten passen. Dafür müssen einige Abstriche in der Qualität gemacht werden, aber die Zeitersparnis ist enorm und die Hürde zum Mitmachen wird deutlich niedriger!
Zurück zur DAW
Für REAPER empfehle ich hier die Videoserie „Loop based production“ – dort werden viele Funktionen und Kniffe eben auch zu diesem Thema gezeigt. Als Beispiel möchte ich hier nur exemplarisch zeigen, wie ein Tempowechsel dargestellt wird.
- Zunächst, wenn der Guide schon ins Projekt integriert ist und man nicht möchte, dass sich hier das Tempo ebenfalls an der Stelle ändert (und das ist die Regel hier), dann ist es wichtig dies in den Projekteinstellungen auch so einzustellen.
- An den Takt springen, wo sich das Tempo ändert und dort ein neues Tempo eingeben. Es lässt sich auch die Taktart umstellen, z.B. von 4/4 auf 6/8 etc. Das kann bei Medleys ganz hilfreich sein! Bei mir war es Takt 79 Zählzeit 1.
- Über der Timeline sieht man danach den Tempowechsel, die Abstände der Zählzeiten werden hier im Beispiel danach auch enger. (Ich habe das Tempo hier um 9 BPM erhöht von 71 -> 80)
- Nun kann das interne Metronom diesen Tempowechsel ebenfalls ausspielen.
Und die Mitmusiker?
Die bekommen von Dir als Schlagzeuger dann einen Guide, bei dem du ja bereits als Timemachine fungierst. Hier gibt es noch einige wichtige „Kleinigkeiten“ um das Projekt danach sowohl im Ton als auch im Bild zusammenfügen zu können.
Auch du selbst musst für dich und die anderen eine „Filmklappe“ einbauen, um später Bild und Ton synchronisieren zu können. D.h. du baust in deiner Aufnahme 2 Einzähler ein:
- Für die Synchronisation, bei denen alle nachfolgenden Mitmusiker im folgenden Takt auf „1“ klatschen. Du kannst selber auch mitklatschen, aber du hast ja auch deine Einzähler um dein Bild mit dem Video zu syncen.
- Der Zweite ist der eigentliche Einzähler, bei dem der Song dann beginnt. Das muss abgestimmt und kommuniziert werden. Sobald eine gewisse Anzahl an Audio- und Videospuren überschritten wird, bricht ansonsten das Chaos aus :-)
Bei unserem Projekt mit 14 Videospuren hatten wir hierzu eine Anleitung erstellt. Das Pdf hatte insgesamt 4 DIN A4 Seiten. Dort waren dann noch Hinweise, wie:
- Das Playback darf auf der Aufnahme nicht zu hören sein -> Kopfhörer nutzen,
- 48kHz 24Bit aufnehmen
- Video in Querformat und mindestens FullHD
- Wo gibt es die Playbacks/Guides
- Wo und wie lädt man seine Videos und Audiofiles hoch
- …
Wenn dann alles eingehalten wird, macht auch das schneiden, mixen und nachbearbeiten einfach mehr Spaß!
Apropos Spaß: im nächsten Teil dieser Serie kümmern wir uns um die Videobearbeitung. Durch die nach und nach eintrudelnden Dateien kann man hier mit wenigen starten und das ganze dann ausbauen!
Ein Kommentar